Das Bündner Kunstmuseum.
Zwei Kunsthäuser im Dialog
Im Stadtzentrum von Chur steht sie, die Villa Planta. Altherrschaftlich, imposant, mit einem Hauch Orient. Zwei Sphinxen säumen den Eingang. Werke, die der ehemalige Bewohner der Villa von einer seiner Reisen mit nach Chur gebracht hat. Zwischen 1874 und 1876 wurde die Villa erbaut und diente zunächst als Wohnsitz für die Familie von Planta. Der Bauherr Jacques Ambrosius von Plana war als Baumwollhändler im ägyptischen Alexandrien tätig. Kurz vor dessen Tod, verkaufte er die Villa an die Rhätische Bahn, welche sie 1919 für kulturelle Zwecke an den Kanton Graubünden vermietete. Seither treffen hier die grossen Namen der Bündner Kunst aufeinander. «In unserem Haus steckt ganz viel Graubünden», sagt Dr. Nicole Seeberger, Co-Direktorin des Bündner Kunstmuseums. Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt deshalb auch auf der Künstlerfamilie Giacometti, welcher in der Villa Planta ein ganzes Stockwerk gewidmet ist.
Mehr Platz für Bündner Kunst
Über die Jahre wurde die Sammlung des Bündner Kunstmuseums immer grösser – der Platz jedoch nicht. Die Forderung nach einem Erweiterungsbau wurde laut. Diesen ermöglicht, hat eine grosszügige Spende aus dem Jahr 2011. Der Zürcher Industrielle Henry Bodmer überliess dem Museum 20 Millionen Franken und der Kanton gewährte einen Zusatzkredit von 8,5 Millionen Franken. Den darauffolgenden Architekturwettbewerb gewann das Büro Barozzi Veiga aus Barcelona. Die Vision: Einen Dialog zwischen dem Neubau und der Villa Planta herzustellen.
Nach knapp zweijähriger Bauzeit wurde die «Kunst der Fuge» 2016 eröffnet. Auf den ersten Blick hat der Erweiterungsbau nur wenig mit der Villa Planta gemein. Tatsächlich lässt sich aber vieles aus der Architektur des ehemaligen Privathauses im neuen Gebäude wiederfinden: «Die kassettenförmigen Elemente, aus welchen die Fassade des Neubaus besteht, sind ebenfalls an der Fassade der Villa Planta zu entdecken. Ausserdem verfügen die beiden Gebäude über die gleiche Höhe sowie einen quadratischen Grundriss», erklärt Nicole Seeberger. Doch auch der Dialog vom Neubau zur Churer Bevölkerung ist geglückt: «Das neue Haus wird sehr geschätzt. Den Leuten gefällt das Zusammenspiel von neu und alt.»
Traditionell und experimentierfreudig
Neu und alt sind aber nicht nur die Häuser selbst, sondern auch die sich darin befindenden Kunstwerke. Heute zählt die Sammlung des Bündner Kunstmuseums rund 8000 Werke. Die Stücke reichen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. In regelmässigen Wechselausstellungen, wie aktuell «Die Leichtigkeit des Zufalls», ein Dialog zwischen Alberto Giacometti und Hugo Weber, zeigt sich die Vielfalt der Sammlung.
Neben renommierten Künstlern wird im Bündner Kunstmuseum auch jungen, aufstrebenden Newcomern eine Plattform geboten. So beispielsweise im hauseigenen «Labor» des Museums: «Im Labor kann experimentiert werden», erklärt Nicole Seeberger. «Hier kann projektorientiert gearbeitet werden, so wie es aktuell Sara Masüger mit ihrem Werk ‚Teilkörper‘ gemacht hat.» Ein Werk, welches die Landschaft des Alpenkantons in Form eines Felsbrockens aufgreift und den ganzen Raum füllt. Hier wird die Kunst erlebbar.
Ein Stück Graubünden für die Welt
Der Bezug zum Kanton ist ein Punkt, welcher bei der Auswahl der Werke nie ausser Acht gelassen wird: «Wir sind darauf bedacht, Ausstellungen zu machen, die den Ort widerspiegeln oder einen Bezug zum Kanton Graubünden herstellen. Wir wollen aufzeigen, was in diesem Kulturraum passiert und was sich bewegt», sagt Nicole Seeberger. Im Bündner Kunstmuseum steht also nicht nur «Graubünden» auf der Fassade, sondern es steckt auch viel Kunst aus dem Kanton darin – von Alberto Giacometti bis Angelika Kaufmann, von Not Vital bis H.R. Giger.
Ein Besuch im Bündner Kunstmuseum lohnt sich also nicht nur für Kunstinteressierte, sondern auch für Graubünden-Liebhaber. Der Kanton wird hier in all seinen Facetten gezeigt und in den künstlerischen Kontext gestellt. Diese Botschaft will auch Nicole Seeberger weitergeben: «Wir zeigen hier den Kanton Graubünden und die Welt.»